Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) hat einen Referentenentwurf für ein (weiteres) Gesetz zur Stärkung der Opferrechte im Strafverfahren, das 3. Opferrechtsreformgesetz, vorgelegt.

Im Anschluss an das Opferschutzgesetz vom 18.12.1986 und die beiden vorherigen Opferrechtsreformgesetze vom 30.06.2004 und 29.07.2009 - nicht zu vergessen das StORMG getaufte "Gesetz zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs" vom 26.06.2013 - soll zum einen die "Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 über Mindeststandards für die Rechte, die Unterstützung und den Schutz von Opfern von Strafverfahren sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2001/220/JI vom 15. März 2001 (Opferschutzrichtlinie)" umgesetzt werden, wofür die Frist am 16.11.2015 abläuft. Zudem soll die psychosoziale Prozessbegleitung gesetzlich verankert werden.

Der Entwurf sieht vor,

  • in § 48 StPO die Notwendigkeit zur Berücksichtigung der Bedürfnisse von Opferzeugen nochmals ausdrücklich festzuschreiben und in Form einer "Checkliste" Verweise auf die entsprechenden Regelungen aufzunehmen, ohne dass damit - soweit ersichtlich - eine materielle Änderung verbunden wäre,

  • in § 158 StPO eine Pflicht zur Eingangsbestätigung von Strafanzeigen (durch Geschädigte),[1] ggf. samt Übersetzung in eine dem Geschädigten verständliche Sprache, und entsprechende Pflichten auch für den Einstellungsbescheid nach § 170 Abs. 2 StPO (§ 171 StPO) aufzunehmen,

  • die bestehenden Informations- und Benachrichtigunggspflichten[2] durch Ergänzung von § 406d StPO[3] und vor allem die Einfügung von §§ 406i, 406j StPO[4] umfangreich zu ergänzen,

  • in § 406g StPO eine psychosoziale Prozessbegleitung[5] zu verankern und deren Gestellung für minderjährige (oder ansonsten in der Wahrnehmung ihrer Rechte beeinträchtigte) Opfer von Sexualstraf- und Gewalttaten vorzuschreiben, § 406g Abs. 5 StPO (neu dann § 406h StPO, weil der bisherige § 406g StPO neu dann der Prozessbegleitung gewidmet ist).

Der praktische Wert der Vorschriften erscheint mir dabei zumeist überschaubar.

Neigte man zu Defätismus, könnte man sich darüber hinaus zu der Spekulation verleitet fühlen, dass die Umsetzung der Vorgaben in der Praxis mutmaßlich lückenhaft sein, jedenfalls aber zwingend nur durch entsprechende technische Lösungen wird erfolgen können, und dass die Kosten dafür und für die notwendigen Übersetzungen, weiteren Benachrichtigungen und die Finanzierung psychosozialer Prozessbegleiter seitens der Länder kaum durch eine Aufstockung des Justizhaushalts bzw. der für die Polizei bereitstehenden Mittel gedeckt, sondern das notwendige Geld dafür wohl eher durch Kürzungen bei den Sachausgaben (soweit möglich) und ansonsten, wie üblich, durch (weitere) Stellen- und Gehaltskürzungen eingebracht werden wird. Inwieweit das Gesamtergebnis dann dem Opferschutz dienlich ist, wird sich weisen müssen.

Titelbild: © Beggert / pixelio.de


  1. In der Praxis erfolgt eine solche Bestätigung mit den entsprechenden Angaben bei polizeilichen Strafanzeigen - und im wesentlichen auch bei direkt bei der Staatsanwaltschaft eingereichten Anzeigen - bereits regelmäßig. Neu wird entsprechender Übersetzungsaufwand entstehen, der in der Praxis nur durch entsprechende IT-Lösungen abgedeckt werden kann; es ist weder sinnvoll noch finanzierbar, in diesem Fall jeweils einen Übersetzer zu beauftragen und die übersetzte Bescheinigung dann einige Tage oder Wochen später nachzusenden. ↩︎

  2. Inwieweit diese Pflichten in der durch Massengeschäft und Personalmangel gekennzeichneten Praxis bisher tatsächlich umgesetzt werden und zukünftig umsetzbar sind, vermag ich nur schwer abzuschätzen. ↩︎

  3. Hinzutreten soll die Mitteilung des Hauptverhandlungstermins und der erhobenen Vorwürfe, auch wenn der Geschädigte keine Nebenklage erhoben und als Zeuge nicht geladen ist (die Umsetzung wird sicherlich spannend, gerade auch bei Terminverlegungen oder Einsprüchen gegen Strafbefehle - das wird nur durch entsprechenden Ausbau der gerichtlichen Fachverfahren funktionieren können), und die Information über eine mögliche Flucht aus Haft bzw. Maßregelvollzug. ↩︎

  4. Geschädigte sind nunmehr umfassend anhand eines Katalogs über ihre strafrechtlichen und außerstrafrechtlichen (!) Möglichkeiten zu belehren. Da diese Belehrung auch schriftlich und ggf. in einer dem Geschädigten verständlichen Sprache zu erfolgen hat, wird sie in der Praxis wohl am ehesten durch Aushändigung umfangreicher Formblätter in geschraubtem Amtsdeutsch erfolgen, die den jeweiligen Gesetzeswortlaut wiedergeben. Der tatsächliche Wert solcher Belehrungen wird sich erweisen müssen, kann aber wohl kaum unterschätzt werden ... ↩︎

  5. Bislang wohl zumeist unter dem Begriff "Zeugen- und Opferbetreuung" verbreitet, der natürlich nicht halb so professionell klingt. ↩︎