Die “erkennungsdienstliche Behandlung” (ED-Behandlung) ist oft - gerade in Fällen schwerer Kriminalität - eine kriminalpolizeiliche Standardmaßnahme.
§ 81b StPO regelt sie in gleich zwei Varianten: "für die Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens” und “für die Zwecke des Erkennungsdienstes”. In beiden Fällen werden Aussehen und körperliche Merkmale des Beschuldigten im Rahmen einer Beschreibung und Vermessung (Größe, Gewicht) sowie durch Lichtbilder (Profil-, Porträt-, Halbprofil- und Ganzkörperaufnahme) erfasst und gespeichert; zudem erfolgt in der Regel die Erhebung der Fingerabdrücke. Soweit erforderlich können Detailaufnahmen auch des unbekleideten Körpers erfolgen, bspw. von Narben, Tätowierungen oder - insbesondere bei Sexualstraftaten - der Geschlechtsorgane. Der sog. “genetische Fingerabdruck”, also die Bestimmung des DNA-Identifizierungsmusters durch molekulargenetische Untersuchungen, ist in der Bundesrepublik Deutschland nicht Bestandteil der ED-Behandlung und unterliegt eigenen, höheren Voraussetzungen.
Die ED-Behandlung "für die Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens” erfolgt zur Identifizierung - oder zum Ausschluss - des Täters in einem konkreten Strafverfahren, bspw. durch (Wahl-)Lichtbildvorlagen an Zeugen; es handelt sich also um originäres Strafprozessrecht. Die Anordnungszuständigkeit liegt dementsprechend bei der Staatsanwaltschaft als “Herrin des Ermittlungsverfahrens”; die Anordnung kann aber auch durch die Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft, in der Regel also Polizeibeamte, erfolgen, was den Regelfall darstellt. Ein Richtervorbehalt ist nicht vorgesehen, obschon die Maßnahme - einschließlich der Vorführung - erzwungen werden kann.[1] Als Rechtsmittel ist nach mittlerweile wohl herrschender Auffassung der Antrag auf gerichtliche Entscheidung analog § 98 Abs. 2 StPO zum Ermittlungsrichter gegeben.
Die ED-Behandlung “für die Zwecke des Erkennungsdienstes” ist hingegen inhaltlich Polizei-, also Gefahrenabwehrrecht, dient sie doch nicht der Aufklärung einer konkreten Straftat, sondern der Vorsorge für künftige Straftaten durch Anlage einer Datensammlung. Dementsprechend erfolgt ihre Anordnung auch ausschließlich durch die (Kriminal-)Polizei, nicht aber durch die Staatsanwaltschaft. Der Rechtsweg gegen entsprechende Anordnungen führt zu den Verwaltungsgerichten, die auch über Datenlöschungen - also Vernichtung der erkennungsdienstlichen Unterlagen - entscheiden.
Erkennungsdienstliche Behandlung oder körperliche Untersuchung?
§ 81b StPO verleiht der Polizei also durchaus umfangreiche Kompetenzen. Dementsprechend liegt es nahe, bspw. nach einer körperlichen Auseinandersetzung - mit erheblichen Personenschäden - alle Beteiligten oder jedenfalls die mutmaßlichen Täter bei der nach ihrer Ingewahrsamnahme ohnehin angeordneten erkennungsdienstlichen Behandlung auch direkt auf mögliche Verletzungsspuren zu untersuchen, um so ihre Tatbeteiligung - und ggf. auch deren Art und Weise - belegen zu können. Spätestens dann allerdings, wenn zu dieser Untersuchung ein Rechtsmediziner hinzugezogen wird, drängt sich auf, dass der Anwendungsbereich einer anderen Norm berührt ist: § 81a StPO regelt nämlich nicht nur Blutentnahmen und andere körperliche Eingriffe, sondern auch die “körperliche Untersuchung des Beschuldigten”, worunter zweifelsohne eine ärztliche Untersuchung - und sei es durch einen Rechtsmediziner - fällt.
Und wenn nur Fotos der Verletzungen durch die Kriminaltechnik gemacht werden? Ist das ein Fall der ED-Behandlung, oder ist das eine “körperliche Untersuchung”?
Eine Unterscheidung ist hier durchaus von praktischer Bedeutung, denn § 81a StPO enthält im Gegensatz zu § 81b StPO einen umfassenden Richtervorbehalt,[2] zu dem mittlerweile insbesondere bezüglich der Annahme von “Gefahr im Verzug” bei Blutentnahmen verfassungsgerichtliche und danach fast unübersehbar gewordene strafgerichtliche Judikatur aller Ebenen vorliegt. Nachdem eine besondere Dringlichkeit, die die auch nur telefonische[3] Befassung des Ermittlungsrichters zeitlich ausschließt, bei der Dokumentation von Verletzungen und anderen Hauterscheinungen wohl kaum je gegeben sein dürfte, wird hier normalerweise - im Gegensatz zur ED-Behandlung - eine richterliche Anordnung einzuholen sein.
Inhaltlich scheint zwischen den beiden Normen jedenfalls ihrem Wortlaut nach insoweit eine Überschneidung vorzuliegen. Das Fotografieren von Verletzungen eines Tatverdächtigen stellt eine Aufnahme von "Lichtbildern" für "die Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens" dar und wird daher vom Wortlaut der 1. Alternative des § 81b StPO abgedeckt. Fraglos liegt darin aber auch eine “körperliche Untersuchung” im Sinne des § 81a Abs. 1 StPO, mit der “der Körper des Beschuldigten zum Augenscheinsobjekt gemacht”[4] wird, auch wenn auf diese Norm üblicherweise in die körperliche Integrität eingreifende Maßnahmen gestützt werden. Zumindest nach der Kommentierung wird man aber auch eine einfache Inaugenscheinnahme der Körperoberfläche darunter zu fassen sein.[5]
Abgrenzung nach dem Zweck der Maßnahme
Die Abgrenzung wird hier daher nach dem Zweck und Ziel der jeweiligen Maßnahme zu erfolgen haben.[6] § 81b StPO zielt auch in seiner 1. Alternative - unabhängig von seiner allgemein gehaltenen Formulierung - auf Maßnahmen zur Identifizierung des Beschuldigten ab.[7] § 81a StPO hingegen dient der Beweissicherung.[8] Daher ist zu unterscheiden, ob die Maßnahme der Wiedererkennung des Beschuldigten durch Tatzeugen oder seiner anderweitigen Identifizierung dient, auch wenn natürlich darin gleichfalls eine Form der Beweisführung liegt; man denke insoweit bspw. an die Anfertigung von Vergleichsbildern einer Überwachungskamera, um so Größe und Statur des Beschuldigten mit vorhandenen Überwachungsaufnahmen abzugleichen, die der BGH als von § 81b StPO gedeckt angesehen hat.[9] In diesem Fall ist § 81b StPO einschlägig. Dient die Maßnahme aber der Feststellung körperlicher Merkmale, um diese Merkmale als Beweis gegen (oder für …) den Beschuldigten zu verwenden, ohne dass es auf seine Wiedererkennung ankommt, ist § 81a StPO die Rechtsgrundlage und daher der Richtervorbehalt zu beachten, unabhängig davon, dass der Eingriff nicht tiefer in die Rechte des Beschuldigten eingreift als wenn dieselben Lichtbilder zur erkennungsdienstlichen Behandlung angefertigt werden würden (und § 81b StPO auch weitergehende Eingriffe wie Lichtbilder der Genitalien abdecken würde).
Werden also nach einer Schlägerei Verletzungen der Tatverdächtigen durch die Polizei fotografisch dokumentiert, ist das nur dann eine ED-Behandlung, wenn gerade diese Verletzungen der Identifizierung des Tatverdächtigen dienen sollen, sie also bspw. mit nach der Tat angefertigten Videoaufnahmen verglichen oder Zeugen vorgezeigt werden sollen. Werden aber die Lichtbilder gefertigt, um bspw. eine Beteiligung des in Tatortnähe angetroffenen Tatverdächtigen an der Schlägerei zu belegen, weil er eben frische Verletzungen aufweist, kann diese Maßnahme nur auf § 81a StPO gestützt werden, was die Beachtung des Richtervorbehalts erfordert.
Titelbild: © Siegfried Fries / pixelio.de
Vgl. Senge in KK/StPO, 7. Aufl. 20123, § 81b Rn. 6 m.N. aus der Rechtsprechung des BGH. ↩︎
Dieser Richtervorbehalt ist allerdings nur einfach-rechtlicher Natur und nicht zwingend verfassungsrechtlich geboten, vgl. BVerfG, Beschluss vom 28. 7. 2008 - 2 BvR 784/08 -. ↩︎
Siehe dazu Trück in JZ 2010, 1106. ↩︎
Senge in KK/StPO a.a.O., § 81a Rn. 1. ↩︎
Vgl. bspw. Bosch in Satzger/Schluckebier/Widmaier, StPO, 1. Aufl. 2014, § 81a Rn. 2. ↩︎
So Bosch in SSW-StPO a.a.O., § 81a Rn. 4 für die Abgrenzung zur körperlichen Durchsuchung nach § 102 StPO. ↩︎
Vgl. Senge in KK/StPO a.a.O., § 81b Rn. 1. ↩︎
Vgl. Senge in KK-StPO a.a.O., § 81a Rn. 5, und Bosch in SSW-StPO a.a.O., § 81a Rn. 14 ↩︎
BGH, Beschluss vom 16.09.1992 - 3 StR 413/92 -. ↩︎